Ergotherapie für Kinder: Auf spielerische Weise Selbstbewusstsein aufbauen und Neues erlernen
Der Begriff Ergotherapie, früher auch Arbeits- und Beschäftigungstherapie genannt, hat seine Wurzeln im griechischen „ergon“, was soviel bedeutet die „Arbeit“, „Werk“, „Tätigkeit“. In den letzten Jahren wird diese Therapieform immer beliebter – zum Beispiel in der Neurologie bei der Arbeit mit Schlaganfallpatienten, in der Psychiatrie – und eben auch in der Arbeit mit Kindern. Im Gegensatz zur Physiotherapie, bei der vor allem der Körper zum Einsatz kommt, werden hier alle Sinne in die Arbeit mit dem Patienten einbezogen. Kevin ist 5 Jahre alt und verbreitet in kürzester Zeit Chaos in seiner Umgebung. Kaum betritt er einen Raum, ist dieser mit Spielzeug oder Ähnlichem übersät. Er kann seine Aufmerksamkeit nicht für mehr als ein paar Minuten bei einer Sache halten. Carmen wirkt wie das genaue Gegenteil von Kevin. Sie ist übermäßig schüchtern und zurückhaltend, ihre Bewegungen sind langsam, und sie braucht ein hohes Maß an Konzentration um eine Sache zu machen. Beiden Kindern könnte aber wahrscheinlich gleichermaßen mit einer Ergotherapie geholfen werden. Jutta Kappes ist staatlich anerkannte Ergotherapeutin und arbeitet seit einem Jahr in einer freien Praxis in Kerpen bei Köln. Kinder, die ähnliche Probleme haben wie Kevin und Carmen, kommen zu der 24-Jährigen in die Therapie. Einige von ihnen leiden an der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung ADD (Aufmerksamkeits-Defizits-Syndrom), worunter beispielsweise auch solche Kinder fallen, die im Volksmund gerne als hyperaktiv bezeichnet werden. Andere sind wahrnehmungsgestört oder in ihrer Entwicklung verzögert. In einem Behandlungszeitraum von 3 bis 18 Monaten können die Kinder in der ergotherapeutischen Arbeit ihre Defizite aufarbeiten, zum Beispiel in Bezug auf Konzentration, fein- oder grobmotorische Fähigkeiten. [html]<b>Arbeiten am Tisch oder im Bewegungsraum</b> Wie in vielen anderen ergotherapeutischen Praxen wird auch in der Praxis, in der Jutta Kappes beschäftigt ist, entweder „am Tisch“ oder „im Bewegungsraum“ gearbeitet. Am Tisch wird mit Materialien wie Stein, Ton , Holz oder Papier gewerkt. Den Kindern wird geholfen, ihre Handlungsabfolge zu strukturieren und zu koordinieren. „Manche Kinder verstehen nicht, dass sie erst ein Blatt Papier brauchen und die Buntstifte aus dem Schrank nehmen müssen, bevor sie anfangen zu malen“, erzählt Jutta Kappes. „Die Kinder lernen bei uns, wie sie Materialien verwenden und Werkzeuge handhaben. Eigene Planung und erhöhte Konzentration sind die übergreifenden Ziele der Arbeit. Auch können die Kinder die konkreten Produkte ihrer Arbeit, wie etwa Tontiere, Steinketten oder Holzspiele, mit nach Hause nehmen.“ Im Bewegungsraum gibt es spezielle Geräte, die auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmt sind, wie etwa besondere Schaukeln, Klettermöglichkeiten oder große Kissenquader. Den Kindern werden somit Handlungs- und Bewegungsangebote gemacht, die die Basissinne (Körperwahrnehmung, Gleichgewichtssinn, taktile Wahrnehmung) ansprechen und die Wahrnehmungsverarbeitung fördern. Neben den erlernten und gewachsenen Fähigkeiten und Sicherheiten in den Bewegungsabläufen wird – ähnlich wie bei der Arbeit am Tisch - „ganz nebenbei“ das Selbstbewusstsein des Kindes gestärkt. Neue Erfahrungen werden möglich und können als gelernt integriert werden. „Eltern berichten dann aus dem Alltag, dass die Kinder sich positiver verhalten, sich z.B. im Kindergarten beim Turnen besser integrieren oder Freunde gefunden haben.“ <b>Der Arzt stellt das Rezept aus</b> Der „klassische Weg“, auf dem die Kinder zu Jutta Kappes in die Ergotherapie finden, läuft entweder über Institutionen wie Kindergärten und Schulen oder aber über den Kinderarzt. Prinzipiell kann jeder Arzt ein Rezept zur ergotherapeutischen Behandlung ausstellen. Voraussetzung ist aber in jedem Fall eine fundierte Diagnose – im Falle von ADD eines Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Unbedingt muss geklärt werden, ob die Therapie auch befürwortet wird. Denn nicht jedes Kind, das etwas lebhaft, tollpatschig oder unkonzentriert ist, braucht deswegen gleich professionelle Unterstützung.[/html]